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Michaela Müller und Tabea Heinicker, Autorinnen von «Schöne Post» – Im Interview

Wer freut sich heutzutage nicht über einen handgeschriebenen Brief oder eine selbst gestaltete Postkarte? In «Schöne Post» stellen Michaela Müller und Tabea Heinicker Techniken und Projekte zum Briefeschreiben unter künstlerischen Aspekten vor: vom selbst geschnitzten Siegel bis zum Bildbrief mit den unterschiedlichsten Schreibtechniken, von der eigens gestalteten Etikette bis hin zur gebundenen Reise-Post-Mappe.

Im Interview erzählen sie uns, wie die Idee zum Buch entstanden ist, was es mit ihrer Postkunst auf sich hat, weshalb sie persönliche Post so lieben und wie die Zusammenarbeit der beiden funktioniert.


Wann haben Sie zuletzt einen Brief verschickt?
Tabea Heinicker: Letzte Woche Donnerstag habe ich die signierten Autogrammkarten für Michaela für die Post verpackt und dachte »Ich kann das jetzt nicht ohne Briefchen zu ihr schicken«. Weil ich es eilig hatte, habe ich auf mich selbst gehört. Im Buch beschreibe ich, wie man aus Makulatur Briefpapier macht. So habe ich aus dem Packpapier, das ich seit Monaten als Tischschoner verwende, ein Eck herausgeschnitten. Die vorhandenen Tuscheflecken habe ich in meinen Brief mit einbezogen und mit grobem Pinsel ein Fisch für Michaela gezeichnet. Das ist eine super Technik, um schnell was Schönes zu zaubern.

Ein schneller Bildbrief auf klecksiger Makulatur von Tabea an Michaela.

Michaela Müller: Jetzt sind sie endlich angekommen, sie haben einen kleinen Umweg genommen. Umso größer war die Freude, als ich das schöne Päckchen nach ein paar Tagen warten endlich auspacken konnte. Jetzt können wir unsere Bücher auch mit Autogramm verschicken!

Was fasziniert Sie am Briefeschreiben?
Michaela: In diesen digitalen Zeiten ist Kommunikation so einfach und schnell geworden, aber auch so flüchtig. Echte Post bleibt, ist greifbar und transportiert so viel mehr als die Nachricht. Wenn ich zwischen Rechnungen und Werbung einen schönen Umschlag aus dem Briefkasten hole, freue ich mich viel mehr als über eine Whatsapp oder E-Mail. Wenn ich jemandem analog schreibe, muss ich mir bewusst Zeit nehmen, das geht nicht nebenher und das merkt der Empfänger ganz genau. Gerade weil es nicht mehr selbstverständlich ist, ist jeder Brief heute umso kostbarer.

Tabea: Mich fasziniert, dass Dinge entstehen, die ich so nie gemacht hätte. Im künstlerischen Arbeiten habe ich entweder ein Thema oder ich werkel vor mich hin. Schreibe ich einer Person einen Brief, gestalte ich die Post extra für diesen Anlass. Ich erzähle von mir, aber ich gehe auch auf die Brieffreundin ein, dies nimmt Einfluss auf mein künstlerisches Arbeiten. Am Ende wundere ich mich manchmal, was da entstanden ist. Noch überraschter bin ich, wenn ich meine Post bei Freunden später wiederentdecke. Das habe ich dir mal gemacht?

Wie ist die Idee zum Buch entstanden?
Tabea: Die Arbeiten, die in den Postkunst-Projekten entstehen, sind so beeindruckend, künstlerisch und hochwertig, dass Michaela und ich schon lange die Idee hatten, ein Buch darüber zu schreiben. Jedoch sollte es kein Katalog fertiger Briefe werden. Eine konkrete Idee, wie das Buch aussehen sollte, hatten wir lange Zeit nicht. Eines Tages im Frühjahr 2019 sah ich einen Koffer voller alter Briefe und geriet augenblicklich in einen kreativen Flow. Ich schrieb meine Eindrücke zum Glück sofort nieder und schickte sie zu Michaela. Wir wollten ein Buch schreiben, dass viele Menschen für die Liebe zum Briefeschreiben begeistert. Wir dachten, wie wäre es, wir geben den Leserinnen alles an die Hand, was sie für die kunstvolle Korrespondenz brauchen! In unserer Garage fand ich dann sogar einen kleinen alten Koffer, der es schließlich auf den Buchtitel geschafft hat.

Wie gestaltete sich Ihre Zusammenarbeit? Wer war für was zuständig?
Michaela: Wir sind ja beide nicht nur Autorinnen des Buches, sondern vor allem Gestalterinnen. Deshalb war es klar, dass nicht eine von uns die Gestaltung übernehmen konnte. Inhalt und Form greifen viel zu sehr ineinander, dass wir das getrennt denken können.

Tabea: Da Michaela und ich sehr unterschiedliche Naturelle haben, konnten wir uns gut ergänzen. Bei der Verteilung der Kapitel war immer schnell klar, wer was bevorzugt. Instinktiv habe ich mich dem Schreiben-Thema zugewendet. Da Michaela schon viele Jahre lang die Kultur des Urlaubskartenschreibens pflegt, hat sie dieses Kapitel übernommen.

Ein Blick ins Buch. Im Kapitel »Schreiben« geht es um die persönliche und authentische Handschrift. Tabeas Lieblingsthema.

Michaela: Für das Layout haben wir uns vorher zusammengesetzt und ein Grundraster entworfen, Farben, Schriften, Bildgrößen festgelegt. In dem Rahmen konnte jede dann selbstständig arbeiten. Wir haben die Kapitel aufgeteilt und jede war inhaltlich und gestalterisch für ihre eigenen Projekte zuständig. Die groben Inhalte und Projekte haben wir vorher abgesprochen, dann der anderen aber alle Freiheit in der Umsetzung gelassen. Trotz der einheitlichen Rahmenbedingungen sieht man den Kapiteln genau an, von wem es kommt. Kurz vor Abgabe haben wir uns dann wieder getroffen, alles zusammengesetzt und Lücken gefüllt.
Für das Titelbild haben wir beide Entwürfe gemacht, aber schnell war klar, dass Tabeas Koffer auf das Cover musste, so war ich dann für die Rückseite verantwortlich (aber mit Tabeas Handschrift!). Und genauso beim Vor-und Nachsatz, vorne findet man mein Glückskleemuster, hinten Tabeas Tuschestreifen.

Im Buch hat es auch Gastbeiträge anderer Künstlerinnen und Künstler. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden?
Tabea: In einem Buch über das Briefe- und Kartenschreiben – so war uns gleich klar – sollte authentische Post! Ein Brief kann so einzigartig, temperamentvoll und eigen sein, wie die Person, die ihn verfasst hat. Neben Michaelas und meinen Arbeiten, fand also auch die Post anderer Wirkungsraum. Die Entscheidung war richtig, unsere Gäste haben wunderbare, inspirierende Post gezaubert und bereichern das Buch. Für die letzte Doppelseite jedes Kapitels haben wir einen Briefaustausch mit jeweils Michaela oder mir und einer Gast-Künstlerin in Originalgröße abgebildet. Wer mag, erfreut sich an der Optik oder vertieft sich sogar im Text.

An wen richtet sich Ihr Buch?
Michaela: Über schöne Post freuen sich doch alle, oder etwa nicht? Insofern ist die Zielgruppe für dieses Buch größer als bei meinen ersten beiden Büchern. Es ist ein Koffer voller Ideen und Anregungen, aus dem man sich bedienen kann. Von einfachen Briefumschlägen, die gut mit Kindern umzusetzen sind, bis hin zu buchbinderisch anspruchsvollen und künstlerisch ambitionierten Projekten.

Tabea: Kreative Anfänger finden im Buch einfache Wege, um in die Gestaltung zu finden. Fortgeschrittene können neue Techniken entdecken und mit ihren schon erlernten Fertigkeiten kombinieren.
Ich schwelge gern in Büchern, ich genieße die kreativen Welten anderer. So war mir bei unserem Buch wichtig, dass das Auge nicht zu kurz kommt. Das Buch richtet sich also auch an Menschen, die gern stöbern und aus unserem kreativen Flow schöpfen möchten. Es gibt so viele Anregungen, dass das Buch lange inspirieren kann.

Auf der Suche nach Fotolicht und Warten auf Trocknung: Tabea hat meist an mehreren Themenseiten gleichzeitig gearbeitet. Oben links ein Fotoset für die Etiketten (Seiten 94/95), auf dem Schreibtisch entsteht schöne Post für Lydia (Seiten 98/99).

Möchten Sie noch etwas über Ihr Mitmachprojekt Post-Kunst-Werk erzählen? Wie läuft das? Wann gibt es die nächste Aktion?
Tabea: Es gibt drei Aktionen im Jahr, die Frühlingspost, die Sommerpost und die Adventspost. Zurzeit läuft die Sommerpost, es geht um gedruckte Briefmarken. Michaela und ich formulieren das Thema, eine Drucktechnik, das Format und Material zu einem stimmigen Konzept und veröffentlichen es auf unserem Blog. Wir laden dazu ein, mitzumachen und stellen eine Woche lang ein Anmeldetool online. Wir bilden dann kleine Gruppen und schicken den Teilnehmerinnen (99 % sind dies kreative Frauen) eine Adressliste. So weiß jede genau, zu welchem Zeitpunkt sie den Teilnehmerinnen kunstvolle Post schicken darf.

Die nächste offizielle Teilnahmemöglichkeit ist die Adventspost. Diese ist die beliebteste, denn sie funktioniert wie ein Adventskalender. Es ist natürlich eine Herausforderung, denn jede Teilnehmerin gestaltet 24 Postkarten und erhält 24 Postkarten. Die Gemeinschaft unter den Teilnehmerinnen ist überwältigend und der Austausch über Instagram ist sehr lebendig und freundschaftlich. Doch vor der Adventspost findet dieses Jahr exklusiv eine Herbstpost statt, extra zur Veröffentlichung von »Schöne Post«.

Viele Infos finden sich unter: www.post-kunst-werk.de


Fotos: Michaela Müller und Tabea Heinicker


Michaela Müller (links) und Tabea Heinicker (rechts).

Michaela Müller ist Designerin und Selbermacherin. Sie lebt in Bergisch Gladbach. Von ihr sind im Haupt Verlag «Bunte Bücher» und «Stoff trifft Papier» erschienen.
muellerin-art-studio.de

Tabea Heinicker arbeitet als selbständige Designerin und gibt Kunstunterricht für Kinder in Geringswalde, Sachsen.
tabeaheinicker.de

 Buchcover