Sie sind hier: / Magazin / Natur & Garten


HauptAutoren: Katrin und Frank Hecker

In unseren Wäldern, an Bächen und manchmal direkt am Wegesrand wachsen die ältesten überlieferten Arzneien der Menschheit: Pflanzen von unverfälschter Heilkraft. Wie man diese richtig sammelt, konserviert und verwendet zeigen Katrin und Frank Hecker in «Heilsame Wildpflanzen».

Im Interview mit uns erzählen sie, wie die Idee zu diesem Buch entstanden ist, wie sie zusammenarbeiten und wie sie die Natur erleben.

Welche Jahreszeit mögen Sie am liebsten und weshalb?
Die, in der wir uns gerade befinden! Weil unser Körper und auch unser Geist – ob bewusst oder unbewusst – im Gleichklang mit der jeweiligen Jahreszeit schwingen: die Aufbruchsstimmung im Vorfrühling, die Fülle des Hochsommers, die Reifezeit im Vollherbst und das Ruhen im Winter – in jeder Jahreszeit gibt es so viele Dinge zu tun mit heilsamen Wildpflanzen – sogar mitten im Winter!

Was begeistert Sie an Wildpflanzen?
Wenn du Wildpflanzen kennst, bist du reich: Du trägst damit den Schlüssel zu physischem und psychischem Wohlbefinden für dich und deine Familie in der Hand und im Herzen. Wildpflanzen nehmen uns mit in die Jahrtausende alten Natur-Rhythmen, sie erden uns und lassen uns ganz im hier und jetzt ankommen. Über Wildpflanzen gelingt es leicht, eine Verbindung zur Natur aufzubauen und sich wieder eingebunden zu fühlen. Dieses Eingebunden sein in die Rhythmen der Erde, auf der wir leben, gibt über die gesundheitlichen Aspekte weit hinaus zusätzlich Sicherheit, Vertrauen und Halt.

Den richtigen Zeitpunkt zum Sammeln finden: Weißdorn (Crataegus spec.) ist Arzneipflanze des Jahres 2019. © Frank Hecker/www.naturfoto-hecker.com

Wer hatte die Idee für dieses Buch?
Eigentlich nicht wir selbst, sondern die Menschen um uns herum: Es ist so, dass wir als Biologen, Eltern und Tierhalter schon seit ganz vielen Jahren unsere Wald- und Wiesenapotheke selber zusammenstellen. Im Jahreslauf heilsamen Pflanzen zu folgen ist für uns etwas ganz Normales und unsere Kinder sind damit auch so groß geworden. Bei Ratschern gab es nichts aus der Apotheke, sondern selbst gerührte Harzsalbe, bei Stichen eine kühlende Tinktur aus Wildkräutern und bei Erkältungen Tee und Salbe aus dem Wald. Für uns war das nie was Besonderes. Dann kamen Freunde und Nachbarn, die sich zunehmend dafür interessierten, was wir dort tun. Und sie und ihre Kinder wollten es uns gern gleich tun. Zuerst haben wir dann zum Beispiel gesagt: «Du musst nur dieses und das sammeln und dir dann eine Salbe daraus rühren.» Dann merkten wir, dass die anderen gar nicht mehr wussten, wohin sie dazu gehen mussten, wie sie die Pflanzen unterscheiden können und auch nicht, wie man sich eine einfache Salbe rühren kann. Es hatte ihnen einfach nie jemand gezeigt! Dieses alte Wissen ist im Lauf der letzten Jahrzehnte in vielen Familien einfach verloren gegangen. So viele Fragen! Dann sind wir gemeinsam raus gegangen. Da war es dann plötzlich einfach. Und wir dachten uns, wenn es uns gelänge, es so in einem Buch zu zeigen, dann könnten es auch viele Menschen wieder selber schaffen und dieses wertvolle, Jahrtausende alte Wissen wieder an ihre Kinder weitergeben.
Die Vorstellung, dass Menschen mit ihren erkälteten Kindern statt in die Apotheke wieder in den Wald gehen, um sich hier in der wohltuenden Wald-Atmosphäre die natürlichen, heilkräftigen Zutaten für den Erkältungstee und für ihre Brustsalbe selber zu sammeln, hat uns dabei inspiriert.

Alles am Weißdorn ist arzneilich anerkannt herzwirksam und reguliert den Kreislauf auf natürliche Weise. © Frank Hecker/www.naturfoto-hecker.com

Wie lange dauerte der Prozess von der Idee bis zum fertigen Buch?
Von der konkreten Idee bis zum fertigen Buch hat es dann doch länger gedauert als erwartet. Denn wir wollten unbedingt ein hilfreiches Buch schreiben. Eines, das wirklich fundiert ist und trotzdem verstanden und benutzt werden kann. Weil uns an diesem Thema einfach viel liegt. Tatsächlich waren es über 3 Jahre, die wir gemeinsam ausprobiert, fotografiert, geschrieben und ganze Kapitel wieder verworfen haben. Das ist heutzutage schon ziemlich lange für ein Buchprojekt und natürlich haben wir zwischendurch auch an anderen Sachen gearbeitet. Aber dieses Buch war von Anfang bis Ende unser Herzenskind, ein sehr persönliches Buch, das wachsen und reifen musste, damit es ein wirklich hilfreiches Buch für Generationen sein kann. Und wir sind da dem Haupt Verlag sehr dankbar, dass sie das so mitgetragen und unterstützt haben!

Hatten Sie eine klare Aufgabenteilung beim Erarbeiten des Buches?
Ja und nein. Wir waren für dieses Buch viel draußen gemeinsam unterwegs auf der Suche nach Heilpflanzen und meist begleiten uns bei unseren Exkursionen noch unsere drei wunderbaren Hunde. Dieses Eintauchen in Landschaften mit den darin wachsenden Bäumen und Kräutern ist schon sehr gemeinsam und wir genießen diese Stunden zu fünft draußen – für uns sind sie das schönste Geschenk unserer gemeinsamen Arbeit. Und an diesem Punkt trennen sich unsere Wege dann auch bereits wieder: Frank ist als Naturfotograf mehr der stille Beobachter, ich (Katrin) muss draußen alles sofort riechen, fühlen, kosten, sammeln. Da müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht in die Quere kommen und uns gegenseitig stören. Jeder taucht da anders ein in seine Heilpflanzen-Welt!
Zuhause arbeiten wir zunächst getrennt weiter: Frank sichtet und bearbeitet seine Fotos, während ich (Katrin) recherchiere und schreibe. Spannend wird es dann wieder an dem Punkt, wo wir aus den gesammelten Schätzen Rezepte zubereiten und diese dann auch fotografieren. Da wir Zuhause leben und arbeiten, befinden sich Fotostudio, Küche und Büro bei uns sozusagen «Tür an Tür». Hier ist besonders viel gegenseitige Toleranz erforderlich: jeder hat da häufig bereits seine eigenen Bilder im Kopf, diese so umzusetzen, dass letztendlich beide glücklich und zufrieden sind ist manchmal schwieriger, als man annehmen könnte, wenn man das fertige Bild sieht.

Selber Erkennen & Sammeln wie hier beim Johanniskraut (Hypericum perforatum): ein wichtiger Aspekt im Buch von Katrin und Frank Hecker. © Frank Hecker/www.naturfoto-hecker.com

Was bringt der phänologische Kalender für Vorteile mit sich?
Dass es mit ihm auch Nicht-Fachleuten sehr einfach gelingt, zu erkennen, wann sie welche Pflanzen im Jahr ernten können! Ein Beispiel: Wenn der Holunder blüht, den die meisten auch heute noch kennen, dann zeigt er uns («Zeiger-Art»), dass jetzt auf der Wiese die entzündungshemmenden Schafgarben und Kamillen bereit sind, gesammelt zu werden und wir nun am Bach die schmerzstillenden Blüten vom Mädesüß finden. Dieser Kalender kennt keine Monate, an die sich Pflanzen ohnehin nur in den seltensten Fällen halten. Wann eine Pflanze zu finden ist, kann jahreszeitlich schon sehr variieren – und regional sowieso. So blüht der Holunder in Süddeutschland in manchen Jahren bereits im Mai, in Norddeutschland in anderen Jahren erst einen Monat später. Der Phänologische Kalender mit seinen 10 Jahreszeiten ist da für Wildpflanzen-Sammlerinnen und -Sammler ein absolut verlässlicher und einfacher Zeiger.

Sanfter Stimmungsaufheller – ein Tee aus frisch gesammeltem Johanniskraut ist arzneilich anerkannt. © Frank Hecker/www.naturfoto-hecker.com

Gibt es für jedes Leiden ein Kraut?
Nein. Genau genommen gibt es für jedes Leiden viele Kräuter! Und man muss auch nicht erst leiden, um Wildkräuter zu nutzen: denn vor allem können sie uns mit ihren kräftigenden Wirkstoffen dabei helfen, gesund zu bleiben! Im Unterschied zu käuflichen Nahrungsergänzungsstoffen und Arzneimitteln befinden sich in jedem Heilkraut, in jeder Wurzel, Rinde, Harz oder Knospe nicht nur ein einzelner Wirkstoff, sondern viele verschiedene. Man spricht auch von «Vielstoffgemischen» in Heilpflanzen.
Ein Beispiel: Das Johanniskraut, Heilpflanze des Jahres 2019, wirkt innerlich eingenommen sowohl angstlösend als auch stimmungsaufhellend und gleichzeitig entzündungshemmend. So kann es sowohl bei Depressionen als auch bei Wechseljahresbeschwerden und Verdauungsbeschwerden eingesetzt werden. Zusätzlich dient es äußerlich angewandt gegen Muskelschmerzen, Verbrennungen und Verletzungen. Mithilfe eines ganzen Cocktails aus Wirkstoffen kann ein- und dieselbe Heilpflanze so bei ganz verschiedenen Leiden wirksam sein – und umgekehrt können bei einem Leiden auch viele verschiedene Heilpflanzen helfen.

Das Johanniskraut – Heilpflanze des Jahres 2019. Im Buch zeigen Katrin und Frank Hecker, wie es gegen Depressionen wirkt und wie jeder selbst ein heilsames Rotöl ansetzen kann. © Frank Hecker/www.naturfoto-hecker.com

Finden sich Heilkräuter auch in städtischen Gebieten? Oder ist vom Sammeln in der Stadt abzuraten wegen der relativ hohen Schadstoffbelastung?
Natürlich wachsen heilsame Wildpflanzen zum Teil sogar mitten in der Stadt. Hier kann man sie ruhig kennen- und bestimmen lernen, sollte sie aber nicht sammeln. Sucht euch zum Sammeln naturbelassene Landschaften, wo die Pflanzen möglichst ungestört, gesund und kräftig heranwachsen können. Und wo auch ihr selbst ganz eintauchen könnt in die heilsame Umgebung – das Sammeln an sich ist bereits Teil des Gesundens, der Verbindung mit den heilkräftigen Wesen aus der Natur. Diese Bilder von Düften, vom Summen um dich herum oder vom Glitzern des Wassers werden wieder auftauchen, wenn du deine Schätze Zuhause hervorholst und genießt. Ob als Tee, Tinktur, Medizinalwein, Bad, Salbe oder zum Verräuchern.

Katrin und Frank Hecker sind Diplom-Biologen und Eltern zweier Kinder. Frank Hecker arbeitet hauptberuflich als Naturfotograf, Katrin Hecker ist freie Autorin. Seit über zehn Jahren verfassen sie erfolgreich Naturbücher und Zeitschriften-Beiträge.


Serie zu heilsamen Wildpflanzen: Im Zyklus des phänologischen Kalenders wandeln wir im Magazin dieses Jahr vom Vorfrühling bis zum Winter auf den Spuren der Natur und entdecken heilsame Wildpflanzen neu. Bisher erschienen sind die Beiträge zum Vorfrühling und Erstfrühling.

 Buchcover