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HauptAutor: Max Bainbridge

© Deane Hearne

Max Bainbridge erzählt, warum er fast nur noch das Geräusch von Kettensägen hört, wie viel Künstler und Handwerker in ihm steckt und was ihn bei einem Workshop berührt.

Das Gespräch mit Max Bainbridge führte Katarina Baumann, Lektorin im Bereich Gestalten und verantwortlich für Lizenzen/Copyrights.

Katarina: Hallo Max, schön, dass du Zeit für ein Interview mit uns gefunden hast. Im März ist dein Buch «Holz!» bei Haupt erschienen und ich war sofort begeistert, weil ich schon immer mit Holz arbeiten wollte, mich aber nicht so recht herangewagt habe. Daher habe ich es mir natürlich gekauft – mein erster Löffel steht mir aber ehrlich gesagt noch bevor. Wie bist du zum Schnitzen gekommen?

Max: Ich habe es schon immer geliebt, Gegenstände aus Holz herzustellen. Meine ersten Kreationen als kleiner Junge waren Pfeile und Bögen, Schwerter, Schilder und ähnliche Dinge. Ich denke, dass sich meine Freude am Gestalten von dort aus natürlich entwickelt hat. Damals war mir natürlich nicht so wichtig, wie die Dinge aussahen. Es hat Spaß gemacht, sie selbst zu kreieren und damit unterwegs zu sein.

Vor rund 3 Jahren waren meine Partnerin Abigail* und ich dann am Glastonbury-Festival an einem kurzen Löffelschnitz-Workshop, den jemand am Sonntagmorgen angeboten hat. Da habe ich gemerkt, dass mich das wirklich interessiert. Der Löffel, der an diesem Morgen entstanden ist, war zwar völlig unbrauchbar, aber da habe ich Feuer gefangen. Ich habe mir also ein paar Werkzeuge gekauft, und dann ging es los. Meine Löffel wurden nach einer Weile zum Glück immer besser. Man macht so schnell Fortschritte, wenn man mal ein paar Gegenstände geschnitzt hat.

Katarina: Was mir an deinem Buch sehr gefällt, ist, dass der Ton, mit dem du die Leser durch die Anleitungen führst und ihnen erklärst, was sie benötigen etc., so freundlich und ermutigend ist. Man wird wirklich abgeholt und verliert so die Hemmungen, etwas Eigenes zu schnitzen, sogar wenn man noch nie mit Holz gearbeitet hat.

© Deane Hearne

Max: Danke für das Feedback, genau das hatte ich beabsichtigt. Ich wollte, dass man beim Lesen den Eindruck hat, in einem meiner Workshops zu sitzen, wo ich den Leuten im direkten Kontakt beibringen kann, wie es geht. Mir war es wichtig, dass das Buch einen einfachen Zugang ermöglicht zu einem Handwerk, bei dem man schnell Fortschritte macht und etwas Schönes herstellen kann, was einen im Alltag immer wieder erfreut. Manchmal wirken Bücher mit «step-by-step»-Anleitungen auf mich eher kühl und reglementiert. «So und so macht man das und fertig!» Ich wollte, dass die Leser das Gefühl haben, dass ich zu ihnen spreche.

Katarina: Das hat mich persönlich sehr motiviert und nachdem ich es gelesen habe, traue ich mir nun sogar zu, solch ein Projekt anzugehen, obwohl ich noch nie etwas geschnitzt habe. Ehrlich gesagt, hatte ich immer großen Respekt vor dem Material Holz. Was würdest du Leuten raten, denen es ähnlich geht?

Max: Sobald du dich ein bisschen mit dem Material beschäftigt hast und weißt, welche Arten von Holz du benutzen kannst, wirst du merken, wie leicht es ist, sogar schon aus einem kleinen Stück Holz etwas zu kreieren. Wenn du damit noch nie gearbeitet hast, brauchst du bloß anzufangen und wirst während des Prozesses das Wichtigste lernen. Hauptsache du fängst an, der Rest kommt dann schon.

Ich bin ständig auf der Suche nach schönen Hölzern und finde nahezu jeden Tag etwas, was ich verarbeiten kann. Es ist zu meiner zweiten Natur geworden. Und man kann Holz an so vielen Orten finden. Du kannst wirklich klein beginnen, zum Beispiel mit einem Stück Fundholz, und dich nach und nach an schwierigere Projekte trauen. Der Prozess soll ja Spaß machen, angefangen beim Finden eines Stücks Holz, das dir gefällt.

Katarina: Wie und wo man zu Holz kommt, beschreibst du in deinem Buch ja auch. Meine Lieblingsstelle ist die, wo du erwähnst, dass du mittlerweile ein gut ausgebildetes Ohr für das Geräusch von Kettensägen in deiner Nachbarschaft hast!

Max: Ich habe einige Rückmeldungen von Leuten per E-Mail bekommen, die sich genau darauf beziehen! Die schreiben mir, dass sie auch mittlerweile immer wieder Kettensägen hören, dann herausfinden, wo gerade gearbeitet wird und die Holzarbeiter fragen, ob sie ein wenig Holz mitnehmen können. Es ist wirklich so einfach! Oft passiert dies auf dem Weg zur Arbeit, sodass die Leute dann einen Holzscheit mit zur Arbeit nehmen, und ihn am Abend mit nach Hause bringen.

Genau so kann man beginnen.

Katarina: Kürzlich war ich im Internet auf der Suche nach schönen, handgeschnitzten Holzlöffeln. Dort bin ich auf das «Spoonfest» gestoßen (Anm. f. d. Leser, Max kannte es natürlich: ein Festival, bei dem es ausschließlich um handgeschnitzte Löffel geht, quasi der Himmel auf Erden für mich). Wie ist es möglich, dass so etwas in England funktioniert? Das ist doch schon sehr spezifisch.

© Deane Hearne

Max: Dort treffen sich die Weltbesten Schnitzer aus aller Herren Länder und es finden viele Workshops statt. Aber warum es in England ist … ich glaube, dass dies am generellen Revival von gutem Handwerk liegt, das England aktuell erlebt. Natürlich gab es schon immer Leute, die geschnitzt haben, aber in den letzten 5 Jahren hat dies, so wie andere traditionelle Kunsthandwerksformen, eine richtige Welle der Popularität erlebt. Immer mehr Leute interessieren sich dafür, daher bekommen auch diejenigen, die sich schon immer mit dem Handwerk beschäftigt haben, nun mehr Aufmerksamkeit.
Und die Leute sind wirklich gut. Was mich auch sehr freut, ist, dass sich die Welten von klassischem Handwerk und Kunst immer mehr Kontakte knüpfen und vermischen. Das wird natürlich auch befeuert davon, dass das klassische Kunsthandwerk im Moment sehr modern ist. Immer mehr Leute verstehen, dass die Dinge einfach mehr Zeit brauchen, wenn sie gut und nachhaltig werden sollen. Dass es viel Sorgfalt und Geduld braucht, was sich natürlich auch im Preis niederschlägt. Es sind wohl viele Faktoren zusammen gekommen, um Veranstaltungen wie «Spoonfest» zu solch einem Erfolg zu machen.
Es ist aber keine Erscheinung, die nur auf dem Land stattfindet. Kürzlich fand die «London Craft Week» statt, an der wir auch teilgenommen haben. Kunsthandwerk etabliert sich aktuell als feste Größe neben Design und Kunst und das ist eine wunderbare Bereicherung für alle. Viele Dinge, die früher als traditionell wahrgenommen wurden, etablieren sich als zeitgenössische Ausdrucksformen – und es ist wieder angesagt, Dinge selbst herstellen zu können …

Katarina: … und nicht alles kaufen zu müssen! Das ist auch einer der Gründe dafür, dass mir dein Buch so gefällt. Die Holzarbeiten sind einerseits sehr ästhetisch, aber es sind keine Dekorationselemente zum Aufhängen, sondern praktische Alltagsgegenstände, die wir jeden Tag in die Hand nehmen und daran Freude haben.

Max: Ja, wir erleben das immer wieder in unseren Workshops. Die Dinge, die Leute selbst hergestellt haben, bekommen oft ihren ganz eigenen Platz im Haushalt. Diese selbstgemachten Gegenstände bringen einem mehr Freude, weil man einen stärkeren Bezug dazu hat. Wenn man sie entsprechend pflegt, haben sie eine sehr lange Lebensdauer und wir stellen fest, dass die Leute gerne einiges in ihrem Haushalt durch schöne, handgemachte Gegenstände ersetzen möchten.

Kürzlich haben wir mit dem Milton Keynes Arts Centre zusammengearbeitet, und dort 16–17-jährigen Jugendlichen beigebracht, Löffel und Schneidebretter zu schnitzen. Sie hatten noch nie so etwas gemacht. Es war beeindruckend zu sehen, was es für sie bedeutet hat, selber etwas ganz Handfestes und Nützliches erschaffen zu haben. Sie fanden es super und wollten definitiv weiter mit Holz arbeiten. Es war wunderbar für mich, etwas mit einer Gruppe Jugendlicher zu machen, für die so etwas komplett neu war. Ihren Stolz über ihre fertigen Löffel und Schneidebretter zu sehen, hat mich sehr berührt.

Katarina: Woran arbeitest du im Moment?

Max: Aktuell arbeite ich an ziemlich großen Schalen und Skulpturen aus Holz. Hier geht es um die Textur und den Prozess des Gestaltens an sich, der mich fasziniert. Ich fotografiere den Prozess der Entstehung der Objekte. Die Fotografie war schon immer ein wichtiger Teil unserer Arbeit und es ist natürlich etwas, das uns ständig begleitet, da wir unseren Instagram-Account pflegen und wir auch viel für unsere Website fotografieren. Ich habe diese Arbeit schon immer geliebt und jetzt komme ich dazu zurück und dokumentiere den Herstellungsprozess der großen Skulpturen. Davon lassen wir großformatige Drucke anfertigen, die wir gemeinsam mit den fertigen Skulpturen an Ausstellungen zeigen, zum Beispiel an der London Craft Week.

© Deane Hearne

Es ist ein natürlicher Prozess, dass unsere Arbeiten nicht isoliert voneinander existieren, sondern sich gegenseitig beeinflussen und inspirieren. Das Material Holz mit seiner Textur ist zum Beispiel ein wunderbares Fotoobjekt. Unsere Arbeiten sind alle miteinander verwoben.

Katarina: Wo wir davon sprechen, wie sich die verschiedenen Projekte gegenseitig beeinflussen … woher beziehst du die Inspiration für deine Arbeiten?

Max: Abigail und ich haben beide Kunst studiert und daher hat diese Welt immer einen großen Einfluss auf uns gehabt, wie zum Beispiel Henry Moore oder Barbara Hepworth. Aber auch das klassische Handwerk inspiriert uns. Die Mischung ist wichtig.
Wir waren gerade in Margate an der Küste, und haben uns die wunderbare Ausstellung «entangled» in der Turner Contemporary Gallery angesehen. Über 40 Künstlerinnen haben dort ausgestellt, unter anderem in den Bereichen Skulptur, Installationen und Textiles, vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute. Wir haben von dort viel Inspiration mit nach Hause genommen.

Katarina: Vermischen sich denn die Seiten der «Kunst» und «Handwerk» auch in England, gibt es dort einen Austausch?

Max: In letzter Zeit scheinen das klassische Handwerk und die Kunstszene sich näher zu kommen. In manchen Galerien, wo früher ausschließlich Künstler ausgestellt haben, finden nun auch Ausstellungen statt von Leuten, die man früher wohl eher als Handwerker bezeichnet hätte. Ich finde das wunderbar, es gibt keinen Grund dafür, diese Bereiche strikt zu trennen.

Katarina: Wo ziehst du die Grenze, ob du nun Kunst erschaffst oder dich handwerklich betätigst? Es es da um den «Nutzen», den ein Objekt hat?

Max: Das ist eine schwierige Frage. Momentan erschaffen wir beide eher Objekte, die ausgestellt werden. Die Löffel, Schneidbretter etc., die ich schnitze, können alle benutzt werden. Aber die großen Schüsseln und Schalen, an denen ich zurzeit arbeite, sind eher Ausstellungsstücke. Aus ihnen könnte man zum Beispiel keinen Salat essen. Aber dennoch haben sie einen Nutzen. Sie sind sehr ästhetisch und finden ihren Platz in Wohnungen oder Studios von Leuten, obwohl sie keine klassische praktische Aufgabe erfüllen wie ein Schneidebrett. Aber nur weil man keine Blumen hineinstellen kann oder Cornflakes daraus isst, heißt ja nicht, dass etwas keine Funktion hat. Alles, was jemand in seinem Haus hat, erfüllt eine Funktion. Ob es nun ein Objekt aus Holz ist, das ausgestellt wird und die Umgebung dadurch verändert oder ein Textilobjekt, das an der Wand hängt und den Raum verschönert – sie haben alle ihren Sinn, auch wenn sie nicht direkt täglich benutzt werden wie andere Gegenstände.

Katarina: Das erinnert mich an den Kurs, von dem du vorher erzählt hast, mit den Jugendlichen, die zum ersten Mal in ihrem Leben einen Alltagsgegenstand selbst hergestellt haben. Hier verbinden sich wohl die beiden Elemente. Einerseits sind die Dinge im klassischen Sinn nützlich, andererseits ist der ästhetische Faktor sehr groß und jedes Mal, wenn sie es benutzen, werden sie daran erinnert, dass sie es selbst gemacht haben und vielleicht sogar dazu motiviert, etwas Neues anzugehen. Wenn das keine wertvolle, weitere Funktion ist!

Max: Ja, genau so ist es! Das sehe ich ja auch bei mir selbst mit einigen der frühen Dinge, die ich hergestellt habe. Ich mache jeden Tag in der Früh Kaffee, und nutze einen bestimmten Löffel, um das Kaffeepulver in die Maschine zu füllen. Manchmal denke ich dann «wow, den habe ich selbst hergestellt!» Er gehört einfach zu diesem kleinen Ritual und gibt mir ein gutes Gefühl.

Was mich immer besonders freut, ist, wenn Leute uns auf Instagram verlinken, wenn sie Fotos von den Dingen hochladen, die sie selbst hergestellt haben. Wenn jemand ein Schneidbrett geschnitzt hat und stolz darauf ist. Wenn solch ein Gegenstand diesen doppelten Nutzen hat: Einerseits den, darauf Brot zu schneiden, und dann auch noch eine tägliche Erinnerung daran, dass man etwas erschaffen hat.

Katarina: Hast du bereits ein neues Buch in Planung?

Max: Aktuell nicht, aber ich bin sehr offen für diese Idee. Das Schreiben und der gesamte Prozess haben mir so viel Spaß gemacht, dass ich es gerne wiederholen würde. Aber das wird die Zeit zeigen.


* Abigail Booth und Max Bainbridge leben in London und bilden gemeinsam das Künstlerduo forest-and-found. Im Frühling 2018 erscheint Abigail Booths Buch zum Thema Färben mit Pflanzen bei Haupt.

Leseprobe zum Buch «Holz!» von Max Bainbridge

 Buchcover