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Haupt stellt sich vor – Patrizia Haupt

Wir fragen, unsere Mitarbeitenden antworten

Patrizia Haupt erklärt, warum sie sich gegen eine Karriere im Zirkus entschieden hat und was aus der Verbindung von Mathematik und Kunsthandwerk entstehen kann.

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Du bist Ende letzten Jahres in den Familienbetrieb eingestiegen. Wie hast du die ersten Monate erlebt?

Intensiv! Ich hatte das Glück, im ersten halben Jahr einen vertieften Einblick in die verschiedenen Abteilungen zu erhalten – eingestiegen bin ich im Marketing und Vertrieb. Es folgten Monate in der Buchhaltung, im Lektorat und in der Buchhandlung. Der ganzheitliche, abteilungsübergreifende Einstieg war eine Chance, die ich gerne genutzt habe. Eines der vielen Highlights aus den ersten Monaten ist bspw. die Betreuung meines ersten Haupt-Titels, der in Kürze in Druck gehen wird: «100 alte Apfel- und Birnensorten», eine bibliophile Neuausgabe eines historischen Meisterwerks zu alten Obstsorten. Nach intensivem Erarbeiten mit Drittmittelbeschaffung, Fotorecherche, Koordination von Grafikerin und Korrektorin, Index-Erstellung schließlich den ersten Andruck in den Händen zu halten, ist ein schönes Gefühl.

Kellerausbau, Schaufenstergestaltung, Messen in Basel und Zürich, Antiquariatsverkauf mit Live-Musik, Begleitung unserer Süddeutschland-Vertreterin, Wettrennen um den Verlag des Jahres – das alles hat zusätzlich für einen ereignisreichen Start gesorgt … und ich freue mich auf die kommenden Monate!

Spieltest du schon immer mit dem Gedanken, eines Tages in der Buchbranche zu arbeiten?

Nicht seit ich mich erinnern kann. Als kleines Mädchen war ich begeistert von Clowns und wollte im Zirkus arbeiten. Als ich später dann bei Messeauftritten und Bücherständen aushalf und beim Abendessen in Gespräche zu Buchpreisbindung, Autorenbeziehungen und Konditionengestaltung eingebunden war, wuchs der Gedanke, mich später ebenfalls im Betrieb einsetzen zu wollen. Heute könnte ich mir kaum vorstellen, nicht Teil des Haupt-Teams zu sein! In meiner Ausbildung legte ich entsprechend auch gute Grundsteine mit dem Masterstudium BWL und ergänzte die Ausbildung mit Praktika in der Branche (Buchzentrum, Laurence King Publishing in London, Gestalten Verlag in Berlin). Dass die Arbeit in der Buchbranche kein Zuckerschlecken würde, war also nicht neu für mich und dennoch – oder gerade wegen der Herausforderung und dem Herzblut – würde ich mich heute in keinem anderen Umfeld lieber einsetzen wollen.

Der Haupt Verlag hat kürzlich die Auszeichnung zum Schweizer Verlag des Jahres 2017 erhalten. Was bedeutet dir der Preis?

Mir bedeutet diese Auszeichnungen viel und ich bin stolz auf den Verlag und auf das Team. Die Abstimmung war öffentlich und dass das Publikum dem Verlag einen solchen Zuspruch entgegengebracht hat, freut uns sehr. Es ist zugleich eine Motivation und Anerkennung für das gesamte Team, sich weiterhin so stark für hochwertige Inhalte einzusetzen. Die Auszeichnung ist also in erster Linie eine Wertschätzung für unser Tun und weniger ein Hebel für unseren Buchabsatz. Der Zeitpunkt für die Auszeichnung ist aber umso schöner, weil es in unser 111-jähriges Bestehen fällt.

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Welche Projekte und Herausforderungen willst du im Zusammenhang mit dem Verlag zukünftig in Angriff nehmen?

Den Verlag in die nächsten 111 Jahre führen :-) .

Externe Einflüsse stellen uns automatisch vor neue Herausforderungen – das zeigen Entwicklungen wie der Fall der Schweizer Preisbindung, der Franken-Währungsschock und die anhaltenden Strukturveränderungen im Buchmarkt. In Zukunft wird uns auch die fortschreitende Digitalisierung vermehrt beschäftigen – als Herausforderung und Chance zugleich. Wir wollen die digitalen Möglichkeiten vermehrt nutzen, um unsere Buchinhalte optimal zu ergänzen. Jedes Medium soll dabei seine Stärken ausspielen können. Weitere Projekte beziehen sich auf das Fundraising, denn für die Mittelbeschaffung öffnen sich mit Crowdfunding bisher nicht genutzte Möglichkeiten. Am Arbeitsplatz wollen wir zukünftig stärker digitale Prozesse im Alltag einsetzen und prüfen derzeit u.a. den Einsatz einer neuen Verlagssoftware. Schließlich ist auch geplant, den Kunden bald eine Bestellung via WhatsApp zu ermöglichen.

Es stehen also viele Projekte an. Fest steht, dass wir auch in Zukunft Inhalte erarbeiten wollen, die über den Tag hinaus von Bedeutung sind. Ziel ist, nicht in erster Linie Bücher zu produzieren, sondern hochwertige Inhalte zu entwickeln, aufzubereiten und in der am besten geeigneten Form dem interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen – sei es als gedrucktes Buch, als digitales E-Book, als App oder als hybride Form irgendwo dazwischen.

Was sind deine Aufgaben im Haupt Verlag?

Ich betreue unser E-Publishing. Dazu gehören Projektmanagement für die Herstellung von E-Books, täglicher Support für unsere Apps, die Pflege des Online-Verzeichnisses lieferbarer Bücher (VLB), Entwicklung und Konzeption neuer Apps in Zusammenarbeit mit unserem Lektorat und die Koordination der Programmierung mit unseren Entwicklern. Ich habe nach dem Studium bei einer Webagentur als Beraterin gearbeitet und verschiedene Webprojekte betreut. Die Erfahrungen aus dieser Zeit kommen nun unserem E-Publishing zu Gute.

Eine weitere Aufgabe betrifft die gedruckten Bücher: Bibliophile Werke mit besonderer Ausstattung lassen sich aufgrund der kleinen Auflage teilweise leider nicht vollständig aus dem Verkauf finanzieren. Aus diesem Grund werden oft Drittmittel benötigt, die helfen, Druck- und Herstellungskosten zu tragen. Um die Pflege dieses Fundraisings werde ich mich ebenfalls kümmern.

Was fasziniert dich an Büchern?

Ich finde es beeindruckend, wie viel Wissen in den letzten Jahrhunderten via Medium Buch transportiert wurde. Mich faszinieren Ästhetik und Haptik eines gebundenen Buches, die Beständigkeit – seit 500 Jahren in derselben Form, die «Toleranz» – kein Akku der plötzlich leer ist, keine Verbindung die plötzlich unterbricht – ein schöner Kontrast also zum digitalen Alltag.

Was ist dein liebster kunsthandwerklicher Gegenstand?

Ein kunsthandwerklicher Gegenstand, der mir besonders am Herzen liegt ist ein Armband, welches eine russische Mathematik-Studentin aus vergoldetem Draht geknüpft hat. Sie hat es nach einem von ihr entwickelten Knüpfmuster entworfen. Auf die Gestalterin bin ich am Türkenmarkt am Berliner Maybachufer gestoßen, als mich meine Familie besucht hatte. Die Kette ist eine tolle Erinnerung an das manchmal ebenso verstrickte, multikulturelle und außergewöhnliche Leben in Berlin.

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