Nach Veröffentlichung meines Beitrages ‒ worin ich mich beschwert habe, dass die armen Studenten während ihres Studiums keine Zeit haben, die Bücher zu lesen, die sie wirklich und freiwillig lesen wollen ‒ erhielt ich eine amüsante Mail von einer Arbeitskollegin der Buchhandlung.
Und da dachte ich: „Heiliger Bimbam!“
Die Buchhändler/innen toppen die Studenten ja um das Vielfache. Deshalb hier der Beitrag einer Buchhändlerin, bei der eine Liste niemals ausreichen würde. Sie stopft sich dafür das Wohnzimmer voll.
[Der Einfachheitshalbe verwendet die Autorin in diesem Beitrag immer die weibliche Form, die männlichen Mitglieder der Berufsgattungen Studenten und Buchhändler dürfen sich gerne auch angesprochen fühlen.]
Nun folgt der Beitrag von Buchhändlerin Irène zum Thema To-Read-List:
Ach ja die armen Studentinnen….
Und was ist eigentlich mit der Berufsgattung „Buchhändlerinnen“?
Stellt Euch einen (nur einen einzigen Tag) im Leben einer Buchhändlerin vor. Jeden Tag den tollsten Versuchungen ausgesetzt, jeden Tag Neuankündigungen in Hochglanzprospekten betrachten, jeden Tag durch Kundinnen auf Bücher aufmerksam gemacht zu werden, die dann innerlich mit dem Stempel „Must-read“ versehen werden.
„To-read-List“ versus „Must-read-List“
Jetzt wird’s kompliziert. Nun haben wir noch eine weitere Liste, die wir abarbeiten müssen.
Für welches Vorgehen wollen wir uns nun entscheiden?
Das englische „must“ hat so was Bestimmendes, Herrisches; lässt einem schon fast
keine Möglichkeiten.
Das „to read“ erinnert uns an eine Feder, die lustig hüpfend im Frühlingswind wirbelt;
die Welt steht einem „sperrangelweit“ offen.
Das bringt uns jetzt wirklich nicht weiter…
Problem lösen einfach gemacht
Am Beispiel meiner privaten Bibliothek wollen wir uns nun einer Problemlösung annähern.
Bei mir stehen ca. 350-380 ungelesene Bücher herum.
Weitere 3‘870 Exemplare stehen stramm und streng nach Autor geordnet im übersichtlichen Bücherregal – immerhin – das Werk einer 30jährigen Lesekarriere!
Das Problem von Listen ist doch immer dasselbe: Sie verschwinden wie durch Zauberhand auf Nimmerwiedersehen.
Und jetzt?
Weder noch
Die ungelesenen Bücher habe ich jetzt von Jahrgang 2003 bis und mit 2015/16 abwechslungsweise gestapelt: Mal eines, das sich Lichtjahre weit entfernt von der Aktualität abspielt und dann wieder eines, das noch Wärme vom Druck in sich trägt.
Fazit: Es braucht KEINE Listen!
Für das Lesen meiner verborgenen Schätze habe ich mir die nächsten vier Jahre gegeben.
Könnte eventuell Wunschdenken sein, denn ich habe mir die eingangs erwähnten Prospekte angeschaut und festgestellt: Da werden mindestens 10-15 Titel besprochen, die mich sehr interessieren (innerlich schon fast mit einem „must“ gestempelt!)
Da bleibt mir nichts anderes übrig, als jeden Tag Scheuklappen aufzusetzen und den verführerischen Neuerscheinungen aus dem Weg zu gehen.
Ach ja und zum Schluss; mein nächstes Buch wird dann wohl in Richtung „Wie setze ich meine Zukunftspläne effizient und sicher um“ gehen.
Viel Spass beim Listenanlegen und derer Umsetzung – und dabei das Lesen nicht vergessen
Irène Trachsel ist bei Haupt als Buchhändlerin tätig. Sie liest gerne und viel und würde noch mehr lesen, wenn sie könnte.