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Wildbienen beobachten

Auch in Städten summt und brummt es: Mit ihren Parkanlagen und Gärten, Brachflächen, Böschungen oder alten Gebäudemauern bieten Städte einen vielfältigen Lebensraum für zahlreiche Wildbienenarten. Janina Voskuhl und Herbert Zucchi begeben sich in «Wildbienen in der Stadt» auf die Spur dieser faszinierenden Tiere. Sie folgen den Wildbienen im Jahreslauf und liefern mit ihren Exkursionsvorschlägen Anregungen für städtische Erkundungstouren – ganz nebenbei vermitteln sie viel spannendes Hintergrundwissen.

Hier veröffentlichen wir einen Auszug aus dem Kapitel «Insektennisthilfen und ihre Besiedler»:

Ein älteres Mauerbienenweibchen ruht am Nesteingang. Mitte Mai ist die Behaarung vieler Individuen bereits verblasst und stark abgeflogen. Foto: Janina Voskuhl

Exkursionstipp: Insektennisthilfen und ihre Besiedler

Ort: Wildbienennisthilfe auf Schulhöfen, in privaten Gärten und öffentlichen Grünanlagen
Mögliche Bienenbeobachtungen: Mauerbienen, Scherenbienen, Blattschneider- und Mörtelbienen, Maskenbienen, Löcherbienen, Düsterbienen sowie diverse solitär oder parasitär lebende Wespenarten
Geeignete Jahreszeit: April bis August

Auf einem Spaziergang durch die Schrebergartenanlagen unterschiedlichster Städte kann man in etlichen Gärten Nisthilfen für Bienen und andere Insekten hängen sehen. Einige wurden selbst gebaut aus hohlen Pflanzenstängeln oder angebohrtem Holz, andere stammen aus dem Baumarkt, dem Gartencenter oder dem Internetversand. Die kleinen Schutzmaßnahmen zeigen, dass zahlreiche Bürger der Stadt interessiert sind, den bedeutsamen Bestäubern ein Zuhause zu geben.

Leider besitzen vor allen gekaufte Nisthilfen beträchtliche Bausünden und sind für Bienen und andere Hautflügler meist wenig zum Nisten geeignet. In verschiedenen Modellen weisen Bohrgänge oder Bambushalme nach innen gerichtete Holzsplitter auf. Solche unsauber bearbeiteten Hohlräume werden von Bienen gemieden, schließlich könnten sie sich mit ihren empfindlichen Flügeln beim Hinein- oder Hinauskriechen verletzen. Ebenfalls häufig findet man Nistelemente, die mit Kiefern- oder Fichtenzapfen, Stroh, Rindenmulch oder Sägespänen befüllt sind. Auch hier wird keine der in Mitteleuropa heimischen Wildbienen ihr Nest anlegen. Vor allem Gemeine Ohrwürmer, die ohnehin in zahlreichen Nischen eines naturnahen Gartens einen passenden Unterschlupf finden, machen von diesen Strukturen Gebrauch. Sie sind Allesfresser und ernähren sich nicht nur von Blattläusen, sondern auch von Bienenbrut und Pollenvorrat aus der Nachbarschaft. Wer Ohrwürmer in seinem Garten fördern will, sollte dies folglich nicht mit einer Bienennisthilfe tun. Dies sind nur wenige Beispiele für gängige Fehlkonstruktionen aus Baumarkt, Gartencenter und Onlineportalen, von deren Kauf wir in jeden Fall abraten. Funktionierende Nisthilfen können Sie stattdessen über die Internetplattformen www.wildbiene.com, www.wildbienenschreiner.de, www.naturschutzcenter.de und ww.wildbee.ch erwerben oder mit nur wenig Aufwand selbst herstellen (dazu gibt es ein eigenes Kapitel im Buch).

Um möglichst unterschiedlichen Hautflüglern einen Nistort zu bieten, sollten die Bohrlöcher einer Nisthilfe unterschiedliche Durchmesser von 2 bis 9 mm aufweisen. Foto: Janina Voskuhl

Zwar finden selbst in gut gebauten Nisthilfen längst nicht alle Bienenarten einen passenden Nistplatz, denn etwa drei Viertel unserer heimischen Nest bauenden Bienen nisten unterirdisch. Wenn jedoch unterschiedliche Strukturen, wie Morschholz, Lehm- und Lösskästen, Brombeerstängel, hohle Schilf- und Bambushalme sowie Tonziegel oder Hartholz mit sorgfältig ausgearbeiteten Bohrungen von 3 bis 9 mm Durchmesser verwendet wurden, können hier verschiedene Solitärbienen und -wespen ebenso wie parasitisch lebende Hautflügler einen geeigneten Brutplatz finden.

Immerhin können etwa 40 der in Deutschland heimischen Wildbienenarten an vielfältig strukturierten Nisthilfen nachgewiesen werden, von denen einige sogar auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft sind.

Mittlerweise werden in vielen Regionen von Umwelt- und Naturschutzverbänden mehr und mehr funktionierende kleine und große Nisthilfen in sorgfältigster Feinarbeit gebaut. Diese wurden und werden zur Förderung von Wildbienen und anderen Hautflüglern an Naturschutz- und Umweltbildungseinrichtungen, auf Schulhöfen, in botanischen Gärten oder auf anderen öffentlichen Flächen aufgestellt. Ein Besuch solcher Nisthilfen ist besonders zu empfehlen. Hier können sich Groß und Klein kreative Anregungen zum Nisthilfenbau holen und ab April das Brutgeschehen von Bienen und anderen Bewohnern ausführlich studieren. Um die Tiere beim An- und Abflug nicht zu sehr zu irritieren, sollten Sie lediglich Abstand von etwa 1m zu den Nesteingängen halten. Versuchen Sie einmal durch eigene Beobachtungen unter anderem folgenden Fragen nachzugehen:

  • Wie viele unterschiedliche Bienenarten können Sie an der Nisthilfe entdecken?
  • Welche Strukturen werden von den Bienen besiedelt?
  • Welchen Durchmesser haben die Bohrungen, in denen Brutzellen angelegt werden?
  • Welche Baumaterialien werden in die Löcher eingetragen?
  • Wie transportieren die Bienenweibchen den herbeigeschafften Pollen? Befindet er sich an den Hinterbeinen oder an der Bauchunterseite? Welche Farbe hat der Pollen?
  • Wie schlüpfen die Bienen in die Löcher hinein: vorwärts oder rückwärts? Warum tun sie dies?
  • Wie viele verschlossene Nesteingänge sind zu sehen? Womit wurden sie verschlossen?
  • Sind noch andere Insekten an der Nisthilfe vorzufinden? Welche sind es, wie versorgen sie ihre Brutzellen bzw. wie verhalten sie sich?

 

Mauern mit Mörtel – Nestbau der Mauerbiene

Die häufigste und wohl bekannteste Nisthilfenbewohnerin in unseren Siedlungsgebieten ist die rostrote Mauberbiene (Osmia bicornis). Sie ist eine von über 60 Mauerbienenarten in Deutschland und von März bis Juni aktiv. Ihr Kopf ist schwarz, ihre Brust braungelb und ihr Hinterleib rostrot bis schwarz behaart. Beim genaueren Hinsehen erkennt man zwei kleinere Hörner am Kopfschild, ein Merkmal, welches diese Biene mit ihrer Schwesterart, der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta), teilt. Letztere ist jedoch wesentlich kontrastreicher gefärbt und bereits wenige Wochen vorher aktiv. Beide Arten nisten in vorhandenen Hohlräumen und sind nicht besonders anspruchsvoll bei der Wahl ihres Nistplatzes. So kommt es gelegentlich vor, dass man Tiere beim Bau der Brutzellen in Schlüssellöchern, Festernuten oder Rolladenstoppern entdeckt. In der Nisthilfe besiedelt die Rostrote Mauerbiene vorwiegend Bohrungen im Holz sowie hohle Bambus- bzw. Schilfhalme, die einen Innendurchmesser von etwa 6 bis 7 mm aufweisen.

Dieses Weibchen der Rostroten Mauerbiene kriecht rückwärts in den Nestgang, um den gesammelten Pollen aus der Bauchbürste abzuladen. Foto: Janina Voskuhl

Bei der Inspektion eines potenziellen Nistplatzes tasten die Weibchen mit ihren Fühlern die Wände des Ganges intensiv ab. Die auserkorene Bohrung wird sorgfältig gereinigt und gegebenenfalls von Baumaterialien vorheriger Bewohner befreit.

Rostrote Mauerbienen nutzen zum Ausbau ihrer Brutzellen mineralisches Material wie Lehm, vermischt mit etwas Speichel. Manchmal kann man im eigenen Garten an lehmigen, feuchten und kaum bewachsenen Stellen, zum Beispiel im umgegrabenen Beet oder am Ufer eines Gartenteiches, sogar Dutzende Mauerbienen beim Bodenabbau beobachten. Kleine Erdklümpchen tragen die Weibchen zwischen ihren Mandibeln zur Nisthilfe und kleiden damit zunächst nur die Rückwand der Bohrungen aus.

Platterbsen-Mörtelbienen, Gehörnte und Rostrote Mauerbienen verschließen ihre Nester mit mineralischem Mörtel. Foto: Janina Voskuhl

Hierfür kriechen sie vorwärts in die Löcher und rückwärts wieder hinaus; zum Drehen ist ihr Nistgang meist zu schmal. Etwa drei Flüge zum Lehmholen werden benötigt, um die Rückwand der Brutzelle fertigzustellen. Ein viertes Mal schafft die Biene Baumaterial heran, um einen kleinen Anfang der nächsten Brutzellenwand hochzuziehen. Es handelt sich hierbei um die sogenannte «Fabres Schwelle», benannt nach dem französischen Entomologen Jean-Henri Fabre, der diese Bauweise vor gut 100 Jahren ein erstes Mal beschrieb.

Mehr Informationen und Beobachtungstipps gibt es im Buch «Wildbienen in der Stadt».


Janina Voskuhl studierte an der Hochschule Osnabrück Landschaftsentwicklung und an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg Landschaftsökologie. Seither widmet sie sich mit besonderem Interesse den Wildbienen, der heimischen Vogelwelt sowie der Flora und Fauna der niedersächsischen Nordseeküste.

 

 

 

Herbert Zucchi, geboren und aufgewachsen im nordhessischen Bergland. Als emeritierter Professor für Zoologie/Tierökologie lehrt und forscht er nach wie vor an der Hochschule Osnabrück.

 Buchcover