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Die Sense – Möglichkeiten und Vorteile für die Gartenarbeit (Teil 2)

Die Sense war einst aus der Landwirtschaft nicht wegzudenken. Heute wird sie langsam wiederentdeckt – von Menschen, die die Natur lieben und schützen wollen und ein traditionelles Handwerksgerät einer lauten Maschine vorziehen.

Im ersten Teil ihres Gastbeitrages haben Ian und Andrea Miller bereits verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Sense die Gartenarbeit erleichtern und bereichern kann. Und sie haben noch weitere Ideen – doch lesen Sie selbst:

Neben dem Heu mit der Sense bietet sich das Handwerkzeug auch wunderbar zum Ernten von Getreide (Weizen, Roggen und dergleichen) im kleineren Stil an: die Ursprünge der Getreidemahd finden sich im Steinzeitalter. Getreidebündel wurden mit einer Hand festgehalten, während die andere Hand mit einem sichelähnlichen Werkzeug den Schnitt vollzog. Erst später wurden Sensen für die Getreideernte verwendet. Dafür montierte man einen rechenartigen Anbau, ein «Reff», am Sensenstiel, der dafür sorgte, dass sich die Getreidehalme bei jedem Mähschwung geordnet zur Seite legen und damit einfach eingesammelt und zum Dreschen gebracht werden können. Für die Arbeit mit der Sense ohne «Reff» erkläre ich kurz die «Zwei-Schwung-Technik»: der erste Schwung schneidet die Halme und der zweite sammelt sie ein und legt sie zur linken Seite ab. Diese Technik habe ich von Botan Anderson gelernt.

© Sandra Pond

Das eigene Anbauen von Getreide bringt folgende Lebensqualitäten: zum einen können Sie genügend Getreide auf einer 35m² kleinen Fläche mit der Hand anbauen und ernten, um in einem Jahr alle zwei Wochen einen 1 kg schweren Laib Brot zu backen. Wenn Sie daran denken, dass das meiste Ihrer Gartenarbeit «nur» Zuspeisen und Beilagen produziert, eliminiert eigenes hergestelltes Getreide vieles von der Einkaufsliste. Wenn Sie Ihren Hühnern das selbst angebaute Getreide füttern, ist das ein bemerkenswert kurzer Produktionsweg für Eier und Hühnerfleisch. Und wo doch Bierbrauen immer mehr Anklang in privaten Häusern findet, wäre das eigene Bier aus eigenem Gerstenanbau nicht ein kulinarischer Höhepunkt?
Nach der Getreideernte bieten sich nun auch die Halme – das Stroh – zur Weiterverwendung an: Einstreu für den Stall, Mulch für die Beete, Zugaben für den Komposthaufen und sogar als Kunsthandwerk (Schuhe, Sandalen, Hut, Strohdächer, etc.). Stroh ist somit ein mit der Sense leicht und kostengünstig herzustellendes Material, das nicht unterschätzt werden darf.

© Sandra Pond

Weiter kommt die Sense bei der Kultivierung von Obst- und Nussbäumen zum Einsatz: nähern Sie sich dem Baum mit kurzen, kontrollierten Schwüngen. Danach berühren Sie den Baumstamm vorsichtig mit der Außenkante (dem sogenannten «Rücken»), genauer gesagt, mit der Spitze des Sensenblattes (der Teil, der am weitesten weg vom Sensenstiel ist). Sie umkreisen den Baum in kleinen Schritten und schneiden erneut mit kurzen Schwüngen das Gras um den Baum herum. Diese Technik schützt den Baum und gleichzeitig die Klinge vor Beschädigungen. Außerdem erspart es Ihnen, im späten Herbst lang gewachsenes Gras bei den Baumstämmen auszureißen, damit sich keine Nagetiere und dergleichen einnisten.
Schnaitelbäume findet man auf Wiesen und Hecken und werden im gerade erwähnten Stil mit der Sense ausgemäht. Die Äste werden geschnitten und das Laub für winterliches Laubfutter für die Tiere auf dem Hof getrocknet. Spezielle Forstkultursensen werden beim Schneiden und Mähen von Hecken und Bäumen, die auf Niederwaldwirtschaft kultiviert werden, verwendet. Das Sensenblatt ist bei einer solchen Sense sehr viel kürzer und robuster, damit hölzerne Pflanzen den Dangl nicht beschädigen.
Kürzere, robustere Sensenblätter werden außerdem bei Brennnesseln, Brombeeren und jungen Bäumen verwendet. Kiko Denzer gibt folgende Ratschläge zum Mähen von Brombeeren (er schrieb das Vorwort in «Das Sense-Handbuch» und er ist außerdem Autor und Herausgeber mehrerer Bücher): «Ich beginne mit höher gehaltener Busch-Sense die obersten, längsten, am meisten störenden Ausläufer zu schneiden. Ich mähe mit kurzen Schwüngen. Danach komme ich leichter an die Stämme der Brombeerpflanzen heran. Wenn die Brombeeren extrem dicht gewachsen sind, gehe ich es sehr «chirurgisch» an, da nur Platz für kurze Schwünge ist. Sobald ich einen Weg in den Stauden freigelegt habe, mähe ich, wenn möglich, «normal» weiter. Wichtig ist ein ziehender Schnitt. Und natürlich ein scharfer Dangl. Oh, wie sehr ich die langen Jahre des Hackens und Abschneidens bereue.»

© David Cavagnaro

Die österreichische Sense ist mehr als bloß ein altertümliches Mysterium. Sie ist die perfekte Entscheidung für den Gärtner, Bauern, Hausbesitzer und darüber hinaus für diejenigen, die ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten vielfältiger gestalten, Geld sparen, Nutzung von fossilem Brennstoff reduzieren wollen und weniger von industriellen Gütern abhängig sein wollen, besser auf ihr Stück Land achten, ihre Selbständigkeit vergrößern, ihren Körper und ihr Grundstück besser kennen lernen und aufhören wollen, ohrenbetäubende, stinkende und schmutzige Maschinerie zu verwenden.

Andrea und Ian Miller

Ian Miller studierte Agrarökologie an der Uni Kalifornien. Im Rahmen seines Studiums arbeitete er auf einem biologisch-dynamischen Bauernhof in Kärnten in Österreich, wo er die Sense entdeckte und sogleich von diesem traditionellen Handwerksgerät fasziniert war. Er wohnt mit seiner österreichischen Frau Andrea und zwei Kindern in seinem heimischen Bundesstaat Iowa/USA.

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Twitter: @millerbakery

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