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HauptAutorin: Katrin Regelski

Plastisches Gestalten fasziniert Kinder und Jugendliche. Katrin Regelski zeigt in ihrem soeben erschienenen Buch «Werkstatt Skulptur» grundlegende Techniken und viele Projekte. Im Interview erzählt sie, weshalb man keine Angst vor dreidimensionalem Gestalten haben muss, mit welchem Material man am besten beginnt und wieso sich Skulpturen besonders für Gruppenarbeiten eignen. 

In Ihrem Buch schreiben Sie: «Formen, kneten und konstruieren gehören zu den wenigen Dingen, die besonders viel Spaß machen, aber erstaunlicherweise nur selten getan werden.» Woran könnte das liegen?

Ich glaube, dass vielen Eltern und Pädagogen die eigene Praxis im plastischem Gestalten fehlt. Gezeichnet und gemalt hat jeder, aber das Experimentieren mit Material kommt seit Jahrzehnten zu kurz. Was habe ich in meiner Grundschulzeit gemacht, außer zu malen? Eine Krake aus rosa Acrylwolle mit Styroporkugel-Kopf, grauenhaft! In diesem Bereich passiert einfach viel zu wenig. Was man selber nicht kann oder ausprobiert hat, ist immer schwerer zu vermitteln, als etwas Bekanntes. Viele wissen auch einfach zu wenig über praktische und technische Abläufe – darum habe ich das Buch ja geschrieben: um zu zeigen, wie einfach das alles im Grunde ist.

Was sind weitere Hindernisse, die einen davon abhalten könnten, Skulpturen zu gestalten?

Es wird häufig angenommen, dass man viel teures Werkzeug und Material braucht. Aber dem ist nicht so. Werkzeuge wie Hammer, Zange oder Schnitzmesser schafft man einmal an, und dann halten sie , wenn es eine vernünftige Qualität ist, für´s halbe Leben – ich arbeite immer noch mit meiner kleinen roten Kombizange, die ich mir 1987 gekauft habe! Und viele Materialien kann man finden, sammeln oder recyclen.
Meistens gibt es die Sorge vor Chaos und Dreck. Das muss man eben gut organisieren: wenn gesägt wird, wird natürlich auch im Anschluss gefegt. Wenn gekleistert wird, muss der Eimer hinterher sauber gemacht werden. Bei einigen Arbeiten wird der Tisch vorher mit Zeitungspapier abgedeckt. Da lernt man etwas sehr praxisbezogenes für´s Leben. Im übrigen zeige ich auch Projekte, wo einfach draußen gearbeitet werden kann. Und man sollte Prioritäten setzen: ein ordentlicher Küchentisch ist eindeutig nicht so wichtig, wie ein Kind, das gerade künstlerische Erfahrungen sammelt.

Welches Material eignet sich Ihrer Meinung nach denn für Kinder am besten, um mit dem plastischen Gestalten zu beginnen? Weshalb?

Ton ist ein sehr elementares Material und für mich der Urstoff des plastischen Gestaltens. Da kann man direkt an das Spielen im Sandkasten anschließen und anfangen, differenzierter zu arbeiten.
Wie im Buch gezeigt wird, kann es dabei durchaus nur um den Prozess des Formens gehen, und nicht immer gleich um ein fertig gebranntes Produkt. Diesen Aspekt hat allerdings kaum jemand im Kopf. Wir Erwachsenen denken viel zu oft ergebnisorientiert.
Papier und Kleister sind auf ähnlichem Niveau eine gute Alternative: auch hier steckt man auch mit beiden Händen im Material. Aber beim Kleistern kommt ein konstruktiver Moment dazu, und einiges muss im Vorwege anders durchdacht sein.

Für die Skulpturen im Buch kamen nicht nur neue Materialien zum Einsatz, sondern meistens bereits gebrauchte Stücke, die man am Wegrand findet, aussortiert hat oder weggeworfen hätte. Worin besteht für Sie der Reiz, mit gebrauchten Objekten etwas Neues zu gestalten?

Gebrauchte Objekte oder Naturmaterialien haben etwas, was ein weißes, glattgestrichenes Papier im DIN Format eben nicht hat: einen eigenen Charakter und eine eigene Geschichte. Wenn man einen gebrauchten Gegenstand aufmerksam betrachtet, ist das Fantasie anregend und liefert einen Einstieg: was will das werden?! Oft wohnt dem Ganzen auch ein Quäntchen Humor inne – wie die Kinder z.B. mit dem Schrott für die «Klangskulptur» umgegangen sind, war für mich famos zu beobachten.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist natürlich der Recycling-Gedanke. Diese Generation kann man nicht früh genug anregen, sich fantasievoll mit der Wieder- oder Weiterverarbeitung von Materialien zu beschäftigen. Für die Zukunft sind diesbezüglich jede Menge innovative Ideen gefragt – und damit wären wir dann beim Herzstück des Kunst-Unterrichtens: die Kinder sollten immer dabei unterstützt werden, eigene neue Ideen zu entwickeln.

Sie arbeiten auch gerne mit Gruppen – im Buch zeigen Sie einige Gemeinschaftsprojekte: Eine Wandgestaltung mit Mosaik, Strandguttiere oder ein Flechtzaun. Weshalb eignen sich Skulpturen besonders gut für eine Gruppenarbeit?

Gemeinsam schafft man richtig viel – die Pyramiden hätte ja auch keiner alleine bauen können! Mit «viel» meine ich Quantität und Größe, durch die sich eine andere Wirkung einstellt. Ein großes Mosaik wirkt anders als ein kleines und eine Performance mit 60 Hüten ist nicht mit einem einzelnen Papierhut zu vergleichen. Die Kinder und Jugendlichen spüren, wie eine Dimension, die man nur durch Zusammenarbeit bewältigen konnte, das Erfolgserlebnis immens erhöht.
Gruppenarbeiten sind immer toll, denn viele Köpfe denken besser als nur einer, viele Hände bringen verschiedene Fähigkeiten mit. «Querköpfe» können in einer Gruppe oft das entscheidende i-Tüpfelchen beisteuern, was das Ergebnis dann enorm verbessert.
Während beim Malen ein einzelner Strich das ganze Bild verändern oder aus dem Gleichgewicht bringen kann, wächst bei einer Skulptur alles viel langsamer – darum funktionieren Gruppenarbeiten hier sehr gut. Manche Arbeitsprozesse sind auch besser zu bewältigen, wenn viele Hände anfassen. Bei großen Konstruktionen ist es sehr hilfreich, wenn «einer hält und der andere knotet».

Wie bereits erwähnt gibt es im Buch Projekte aus Ton, Stein, Gips, Papier, Metall oder Holz. Mit welchem Material arbeiten und gestalten Sie persönlich am liebsten?

Ich arbeite mit allen im Buch vorgestellten Materialien gerne, sonst hätte ich sie nicht ausgewählt. Als ich noch «richtig bildhauerisch» gearbeitet habe, hat mich das Metall in seinen Bann gezogen: dass man z.B. beim Schmieden etwas formen und durch Schweißen verbinden kann, was hart und unformbar erscheint, hat mich fasziniert. Metall hat für mich eine starke Präsenz. Außerdem mag ich, wie sich das Material durch Verwitterung verändert und dabei trotzdem lange stabil bleibt. In den letzten Jahren arbeite ich eher konzeptuell und mache kleine Objekte, die aus allem Möglichen zusammengebastelt sind. Manchmal bewegt sich auch etwas oder man kann irgendwo drehen, ziehen oder kurbeln.

Haben Sie ein Lieblingsprojekt im Buch?

Ich habe in jedem Kapitel mindestens zwei Lieblingsprojekte, aber die verrate ich nicht!
Sehr viel Spaß hat die «Land-Art» Aktion an der Elbe gemacht – das war eine ganz besondere Stimmung. Nach ein paar Tagen kam ein Sturm und die Skulptur war weg …einfach weggeschwommen!


Katrin Regelski lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Hamburg. Sie arbeitet seit 23 Jahren als freischaffende Künstlerin. 2002 eröffnete sie eine eigene Kindermalschule. Lehraufträge und Projekte an verschiedenen Hamburger Schulen sowie Tätigkeiten in der Lehrerfortbildung folgten.

Fotos: Katrin Regelski

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