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HauptAutoren: Elke Zippel und Johann Brandstetter

Schmetterlinge bezaubern uns durch ihre filigrane Schönheit und die Leichtigkeit ihres Fluges. Auch das Leben der schillernden Insekten ist faszinierend, wie die Autorin Elke Zippel und der Künstler Johann Brandstetter wissen. In ihrem Buch «Wie Schmetterlinge leben» führen sie uns in die spannende Welt der «Blütengaukler» ein.

Im Interview verraten sie uns, weshalb sie keinen Lieblingsschmetterling haben, was es mit Mormogystia brandstetteri auf sich hat und weshalb wir um Schmetterlinge zu fördern, auch ihre Lebensräume schützen müssen.

Schwarzblauer Bläuling © Johann Brandstetter

Was fasziniert Sie besonders an Schmetterlingen?

E.Z. Zuallererst natürlich ihre Schönheit, ihre bunte Vielfalt und ihre zarte Gestalt, die mich schon als kleines Mädchen beeindruckt haben. Als Kind habe ich rund um die Dörfer meiner Ferienheimat in Südtirol Blumenwiesen erleben können, auf denen es vor Faltern wimmelte – Blutströpfchen, Bläulinge, Widderchen und Tagfalter-Arten. Nachts verlagerte sich das Geflatter an die Laterne am Haus. Ich habe stundenlang zuschauen können, wohl wissend, nicht zuletzt dank eines Kinderbuchklassikers, dass vor ihrem Geflatter die Schmetterlinge ein Leben als Raupe und Puppe geführt haben.
Als Biologin beeindrucken mich die vielen Zusammenhänge, die sich beim Studium der stets komplexen und einzigartigen Ökologie einer Art aufzeigen. Jedes Entwicklungsstadium einer Art, vom Ei über Raupe und Puppe bis zum erwachsenen Falter hat ganz besondere Ansprüche an seinen Lebensraum. Nur wenn die Ansprüche aller Entwicklungsstadien eines Falters erfüllt werden, kann eine Schmetterlingsart in einer Landschaft überleben und sich fortpflanzen. Enge Beziehungen von Schmetterlingen zu Blütenpflanzen zeugen von einer faszinierenden Co-Evolution zweier Arten oder Artengruppen.

Wie ist die Idee zum Buch entstanden?

J.B. Schmetterlinge sind meine ganz große Leidenschaft und ich gestalte zu diesem Thema ja schon mein gesamtes Leben Bilderwelten. Deshalb wollte ich einfach seit langem mit schönen Bildern und einem Text, der lebendig und anspruchsvoll fundiertes Wissen über die Schmetterlinge bietet, Laien und Naturliebhaber oder besser gesagt alle Menschen ansprechen und für Schmetterlinge begeistern.
Das Buch ist für den interessierten Laien geschrieben, aber selbst für Kenner und Entomologen ist viel Neues dabei.

Die Brennnessel ist eine wichtige Futterpflanze für Raupen. © Johann Brandstetter

Was war zuerst: Die Texte von Elke Zippel oder die Bilder von Johann Brandstetter?

E.Z. Die meisten Schmetterlingstafeln und Tafeln mit wichtigen Nahrungspflanzen einiger Raupen hat Herr Brandstetter im Laufe der vergangenen Jahrzehnte gezeichnet, sie lagen also zu Beginn des Buchprojektes bereits vor. Während der Arbeit an dem Buch kamen dann noch einige Zeichnungen und Tafeln hinzu, um Entwicklungsstadien wie Eier oder Raupen, besondere Eigenschaften bestimmter Schmetterlingsarten oder auch die wichtigsten Lebensräume mitteleuropäischer Schmetterlingsarten illustrieren zu können.

J.B. Das ist richtig, es existierten bereits die Familientafeln, von denen die frühesten schon aus den 90ern stammen. Es war immer schon mein Wunsch, aus meinen Schmetterlingstafeln ein ganz besonders Buch über Schmetterlinge zu gestalten. Nach der gemeinsamen Konzeption entwickelten sich weitere Ideen und schnell war auch klar, was für Tafeln noch illustriert werden müssten.

Wie gestaltete sich Ihre Zusammenarbeit?

E.Z. Vertrauensvoll, fröhlich und unkompliziert. Wir haben manchmal bis in die Nacht miteinander telefoniert, um Ideen zu entwickeln und Einzelheiten abzustimmen. Besser als mit einem Zitat kurz vor Fertigstellung des Manuskriptes aus einer Email von Herrn Brandstetter kann unsere Zusammenarbeit nicht beschrieben werden: «Jetzt sind wir ja bald durch und ich glaube, dass mir unsere Korrespondenz dann fehlen wird.» Aber der gute Kontakt besteht ja weiter und wir haben schon neue gemeinsame Pläne!

J.B. Das kann ich nur unterstreichen!

Lebensraum Hochmoor © Johann Brandstetter

Die Tafeln und Texte stellen die Schmetterlinge in ihren jeweiligen Lebensräumen dar. Weshalb ist das so wichtig?

J.B. Den Lebensraum der Schmetterlinge zu zeigen, ist deshalb so wichtig, da Schmetterlinge bis auf wenige Kulturfolger Spezialisten sind, die einen ausgewogenen Lebensraum benötigen. Das wollten wir in unserem Buch zeigen. Unsere Naturschutzgebiete sind zu klein und zu isoliert. Es sind grüne Gefängnisse. Ein Gen-Austausch ist schier unmöglich. Es müssten Korridore geschaffen werden, damit sich die Populationen untereinander mischen können. Ich verstehe nicht, dass mit dem heutigen Wissen über Gene nicht auch im Naturschutz mehr darüber nachgedacht wird, dass Inzucht zu Sterilisation führt und somit zum Aussterben der Art.

E.Z. Schmetterlinge werden meistens mit bunt blühenden Wiesen oder tropischen Regenwäldern in Verbindung gebracht. Aber Schmetterlinge besiedeln fast alle Lebensräume auf unserer Welt! Es gibt Schmetterlinge in scheinbar lebensfeindlichen Regionen wie Wüsten und Halbwüsten, in Hochgebirgen und am Polarkreis. Schmetterlinge fliegen in verschiedenen Wäldern, in Mooren und auf kargen Trockenrasen. Und jede Art hat ganz eigene und spezifische Anpassungen an ihren jeweiligen Lebensraum. Es war und ist uns wichtig, diese Vielfalt zu illustrieren und zu beschreiben und damit zu verdeutlichen, dass jede Schmetterlingsart einzigartig ist: sei es auf blütenreichen Wiesen, in trockenen und heißen Halbwüsten, in verschiedenen Wäldern oder in der Eiseskälte der Hochgebirge und der Tundren. Selbst scheinbar lebensfeindliches wüstes Ödland beherbergt hochspezialisierte und damit in der Regel auch sehr seltene Falter.
Zahlreiche dieser Lebensräume sind in Gefahr und damit auch ihre Pflanzen und Tierarten. Aus buntblühenden Wiesen werden artenarme grüne Graswüsten, Moore werden für die Gewinnung von Acker- oder Grünland entwässert, Wälder werden intensiv forstwirtschaftlich genutzt, in alpine Rasen werden Skipisten und Mountainbikeparcours gebaut, und Ödland dient als Bauland für Solar- oder Biogasanlagen. All das trägt zum Verlust zahlreicher und meistens recht wenig bekannter Schmetterlingsarten bei.

J.B. Einige ausgewählte Arten haben wir vorgestellt und hoffen, damit auch für ihren Schutz und den Schutz ihrer Lebensräume sensibilisieren zu können. Das rasante Aussterben der wichtigen und wunderschönen Tiere betrifft schließlich uns Alle. Vielleicht hilft dieses Buch auch, den Schmetterlingen mehr Raum in unserer Umwelt zu verschaffen. Denn wir können nur das schützen und erhalten, was wir kennen.

Nach Ihnen, Herr Brandstetter, sind einige Schmetterlinge benannt. Wie kam es dazu?

J.B. Die Etymologie der Schmetterlinge Trichiura brandstetteri und Dasypolia brandstetteri brachte mir ein Liebhaber meiner Arbeiten ein. Ein Entomologe vom Nature Research Centre – Vilnius, den ich von der Bayerischen Staatssammlung von München her kenne, beschrieb die neuen Arten nach mir. Da er unter anderem auch dort tätig ist, kennt er meine Naturtafeln, vor allem die Schmetterlingsmotive und hat bereits einige meiner Arbeiten erworben.
Als Wertschätzung hat er bereits den Dritten neu entdeckten Schmetterling, Mormogystia brandstetteri nach mir benannt, was mich natürlich sehr freut.

Mormogystia brandstetteri © Johann Brandstetter

Haben Sie einen Lieblings-Schmetterling?

J.B. Einen? Viele! Jede Art ist auf seine Weise faszinierend. Mich interessieren vor allem Arten von denen noch nicht viel oder gar nichts bekannt ist. Das ist immer wieder Neuland. Da steht immer ein wenig Forschergeist im Vordergrund. Dabei interessiert mich nicht nur der Falter als solches, sondern die Beziehungen, die er in seinem speziellen Lebensraum einnimmt. Ist er monophag, d.h. an eine spezielle Futterpflanze gebunden, welchen Lebensraum bewohnt die Art, wie schützt er sich vor Feinden. Zählt er auf Tarnung, oder warnt er seine Feinde durch Giftigkeit und Warnfarben. Es sind nicht nur die farbenfrohen Gaukler, die meine Aufmerksamkeit wecken, sondern die Geflechte, die Pflanzen und Tiere untereinander einnehmen.
Das Aufspüren dieser Zusammenhänge, das ist auch meine Art zu malen.

E.Z. Die gerne gestellte Frage nach einem Lieblingstier oder einer Lieblingspflanze ist für viele Feldbiologen ehrlich gesagt eine kleine Zumutung. Nein, ich habe keinen Lieblingsschmetterling. Wie Herr Brandstetter sagt, ist jede Art, mit der man sich intensiv beschäftigt, in ihrer Einzigartigkeit und Besonderheit großartig, egal ob es sich um einen großen und prächtigen oder um einen kleinen und unscheinbaren Falter handelt. Doch es gibt natürlich Arten, mit denen ich besondere Erinnerungen verknüpfe oder über die ich mich besonders freue. Den Zitronenfalter liebe ich als Frühlingsboten und die Kleopatra-Falter der Kanarischen Inseln erinnern mich an die schöne und intensive Zeit meiner Feldstudien während meiner Doktorarbeit auf La Gomera, Teneriffa, La Palma und El Hierro. Und wenn ich für meine Arbeit in der Dahlemer Saatgutbank am Botanischen Garten Berlin im Gelände Nelkensamen sammeln möchte und in den Kapseln der Nelken nur wenige intakte Samen und viele zerfressene Samen finde, freue ich mich, dass sich hier Nelkeneulen entwickelt haben.


© privat


Johann Brandstetter, Künstler und Illustrator, wurde schon mehrfach für seine Werke ausgezeichnet.  Seit 2014 zählt er zu den «200 Best Illustrators Worldwide». Er ist spezialisiert auf Naturthemen. Schmetterlingen gilt sein besonderes Interesse – einige Schmetterling wurden nach ihm benannt. Das 2017 gemeinsam mit Josef H. Reichholf herausgegebene Werk «Symbiosen» wurde von Bild der Wissenschaft zum «Schönsten Wissensbuch 2017» ernannt.

© Dr. Thomas Wilhalm


Dr. Elke Zippel ist Kustodin der Dahlemer Saatgutbank am Botanischen Garten Berlin. Sie ist u.a. für die Sammlung und Sicherung von Wildpflanzensamen sowie für Wiederansiedlungen seltener Pflanzenarten verantwortlich. Elke Zippel studierte an der Freien Universität Berlin Biologie mit den Schwerpunkten systematische Botanik und Zoologie, Geobotanik und Ökologie und promovierte anschließend über Moose der Kanarischen Lorbeerwälder.

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