Seitdem ich denken kann gehört die Erde zu den elementarsten Bestandteilen meines
Lebens. Bereits als Kind faszinierte mich ihre Materialität, denn ich war ihr körperlich näher, als es die meisten Kinder von heute sind. Im Sommer lief ich barfuß und spürte die Erde in vielen Zustandsformen, ob hart, weich, sandig, trocken oder nass. Ich kroch auf ihr herum, ritzte mit Stöckchen Zeichnungen und Muster in glatte Erdoberflächen und kannte auch die Stellen, wo sie besonders lehmig war und man sie gut formen konnte. So lernte ich früh den ältesten Stoff der Welt kennen.
Während meiner späteren Ausbildung in der Malerei probierte ich dann die ersten
Bindemittel aus, um selbst gesammelte farbige Erden auf die Leinwand zu bannen und
erkannte, dass Naturfarben den chemischen Produkten in ihrer Ästhetik und Sinnlichkeit
weit überlegen sind. Schließlich wurde mir während meiner langjährigen künstlerischen
Tätigkeit das unendliche, kreative Potential der Erde bewusst – Erde als Material für
Farben und Formen.
Auf meinen Auslandsreisen war ich immer besonders von afrikanischen Lehmbauten und
Töpferprodukten fasziniert und als ich die kanarische Insel La Palma mit ihrem
vulkanischen Ursprung entdeckte, spürte ich aufgrund der vielen spektakulären
geologischen Phänomene ihre unglaubliche Kraft und Energie. Die kleine Insel ist ein
einzigartiger riesiger Vulkankomplex, der die Erde in unendlichen Erscheinungsformen
zeigt.
Seitdem ich auf der Insel La Palma lebe, steht bei meiner künstlerischen Arbeit die Erde
noch stärker im Mittelpunkt, einfach weil sie überall präsent ist. Leuchtende Erdfarben
setzen an vielen Stellen sichtbare künstlerische Akzente, die Natur braucht keinen Maler,
der seinen Pinsel schwingt. Die Farben kommen durch die Umwandlung von Basaltlava in
Tonminerale zustande, je nach Anteil der rötlichen Eisenhydroxide erscheinen die
Farbtöne von gelb und ocker bis zu satten, tiefen Rottönen. Es präsentieren sich Landschaftsgemälde par excellence.
Es gibt viele verschiedene Formen der Aufbereitung oder Pulverisierung für eine
streichfähige Erdfarbe. Um sehr feine Erden zu erhalten, arbeite ich mit Steinläufern oder
Metallmörsern, aber häufig reichen schon feine bis feinste Siebe aus.
Als Bindemittel für diese archaischen, groben Farben verwende ich einfach Hühnerei, das
ich vorher mit etwas Leinöl gut durchschüttele. Diese Farbe ist vor allem für starre
Untergründe wie Holz oder Stein gut geeignet. Für Gestaltungen mit Erde auf Leinwand
verwende ich gebrauchsfertige Acrylbinder, in die sich ebenfalls anderes Material aus der
Natur oder verschiedene Fundobjekte mit einkleben lassen.
Auch die Lehme von der Insel sind auffällig rot und eisenhaltig. So habe ich für mein
Projekt zum Buch Schmuck aus Keramik sehr fetten, roten Lehm mit etwas Sand
gemagert, um daraus Perlen und andere Schmuckstücke zu formen.
In primitiven Steinöfen habe ich sie anschließend gebrannt, wo sie durch Reduzieren des Sauerstoffs mit brennbarem Material leicht geschmaucht werden.
Das künstlerische Arbeiten mit Erde und mit ihren reinen Farben übertrifft für mich bei
Weitem alle noch so ausgeklügelten künstlich hergestellten Materialien. Die allerfeinsten
Differenzierungen hat die Natur entworfen.
Website von Helena Arendt