Die Flechtkunst hat eine lange Tradition und ist eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Schon immer haben Menschen aus verschiedensten Materialien Behältnisse hergestellt, um etwas tragen, sammeln oder aufbewahren zu können. Auf der ganzen Welt haben sich dabei unterschiedliche Flechttechniken entwickelt, abhängig von den zur Verfügung stehenden Materialien – jeder Kontinent, jede Region, jede Kultur hatte andere zu Flechtzwecken geeignete Materialien. Was die Flechtkunst einmalig macht, ist der Umstand, dass sie als einzige Kulturtechnik nicht vorwiegend maschinell abgelöst wurde, sondern ein Handwerk geblieben ist.
Häkeln ohne Nadel
Ausgehend vom Erscheinungsbild würde man bei dieser Struktur spontan auf «geflochten» tippen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine maschenbildende Technik, bei der sich die Struktur aus einem einzigen Fadenelement aufbaut. In unserem Fall ist das ein Streifen, der gegebenenfalls fortlaufend verlängert werden muss.
In der Schweiz kennen wir für diese Maschenbildung den Begriff Dinteln (Fingerhäkeln). Normalerweise wird mit rundquerschnittigem Material und nicht mit Streifen gearbeitet.
Das hier gezeigte Beispiel ist aus zweifarbigem Schreibpapier hergestellt. Alternativ eignet sich auch pflanzliches Material gut, beispielsweise Irisblätter.
Material
1 Streifen, 1 cm breit, möglichst lang
Ausgangslage
Den Steifen zu einer Pfeilspitze falten; das Täschchen liegt links, wenn die Spitze zu Ihnen zeigt.
Aufbau der Struktur
- Das linke Element der Pfeilspitze vornüberlegen, aber nicht falten.
- Das rechte Pfeilspitzenelement vornüberfalten und zunächst nach links, anschließend hinter der ganzen Arbeit nach rechts führen.
- Linker Hand hat sich eine stehende Schlaufe gebildet (die orangefarbene Seite weist nach oben).
- Bilden Sie mit dem rechts liegenden Element ebenfalls eine lockere Schlaufe und führen Sie diese durch die Schlaufe links.
- Ziehen Sie linker Hand die Schlaufe fest (am unteren Streifenteil ziehen). Sie sehen jetzt nur noch eine Schlaufe links.
- Drehen Sie die Arbeit im Uhrzeigersinn ein bisschen nach rechts.
- Bilden Sie mit dem orangefarbenen Streifen links wieder eine neue Schlaufe und führen Sie diese durch die wartende (oben blaue) Schlaufe.
- Ziehen Sie die blaue Schlaufe rechts fest.
- Mit dem blauen Streifen rechts wieder eine neue Schlaufe bilden und durch die links wartende orangefarbene Schlaufe führen.
- So fortfahren. Es bildet sich eine Struktur mit Flechtcharakter und der Tendenz, sich zu wölben. Kurze Strukturen wirken insektenähnlich.
- Je länger die Struktur wird, desto mehr ähnelt sie einer sich windenden Schlange.
- Das Verlängern der Elemente ist nicht ganz einfach, da Überlappungen das Schlaufenbilden erschweren. Entweder fertigen Sie nur kurze Objekte oder Sie verlängern mit Klammern, Klebstoff, doppelseitigem Klebeband o. Ä.
- Verstäten im Sinne von «die Elemente ins fertige Geflecht zurückführen» geht hier nicht. Stattdessen lasse ich die letzte Schlaufe kurz stehen und sichere sie, wenn nötig, mit einem Klecks Klebstoff.
Hinweise:
- Wenn Sie an den zuletzt eingeschobenen Schlaufen ziehen, wird sich die Struktur auflösen, wie Sie es z. B. von einer Häkelarbeit kennen.
- Statt mit einer Pfeilspitze zu beginnen, können Sie auch eine andere Ausgangslage wählen, bei der zwei Fadenteile an einem Ende zusammenhängen, beispielsweise ein längs aufgespaltenes Blatt, zwei zusammengeknotete Streifen u. a.
Das Projekt stammt aus dem Buch «Aus Streifen geflochten» von Monika Künti.
Alle Bilder © Samuel Künti